• Stefan Hauck ist für den Bereich Forschung und Entwicklung bei Taifun verantwortlich. Viele der Rezepturen hat er mitentwickelt.
Sojakultur

Tofu oder not Tofu - das ist die Frage!

Oder anders gesagt: Ist das jetzt gesund?

  • 02. Mai 2022

Ist das jetzt gesund? Diese Frage wird auch heute noch oft gestellt. Im Interview geht unser Produktentwickler Stefan Hauck auf kontrovers diskutierte Fragen ein und berichtet aus seiner langjährigen professionellen und persönlichen Erfahrung mit Tofu.

Stefan Hauck arbeitet seit 1997 bei Taifun. Er ist gelernter Koch, Ingenieur für Lebensmitteltechnik und besitzt ein Nachdiplom für Humanernährung. In Sachen Ernährung war er schon so ziemlich alles: Vegetarier, Veganer, Mischköstler. Seit 25 Jahren begleitet er die Produktentwicklung bei Taifun und hat sich seine Neugier auf Lebensmittel bis heute bewahrt.

Ich war in den 80ern und 90ern das einzige Kind in meiner Schulklasse, das kein Fleisch gegessen hat und Sojawürstchen dabeihatte. Das war oft ein Thema. Ich war die einzige Person, die dasaß, und nicht das gegessen hat, was alle anderen gegessen haben.

Stefan Hauck: Oh ja, die Bilder kenne ich auch. Ich habe zu der Zeit eine Ausbildung zum Koch gemacht und Tofu zwar mal kennengelernt, aber damals ist man damit eher uninspiriert umgegangen: Das war in Deutschland noch was für Vegetarier, die kein Fleisch essen wollen. Zu der Zeit hatten vegetarische Gerichte oft etwas Ausgrenzendes, man bekam gerne zu hören: Du kannst Deinen dubiosen Bratling selber essen!

Heute hat es eher etwas Verbindendes.

Stefan Hauck: Ja, das hat sich völlig verändert. Leckere vegetarische Gerichte haben mittlerweile die größte Schnittmenge. Wenn ich eine Gemüsepfanne mit Räuchertofu im Wok mache, dann mögen das alle. Egal ob Vegetarier oder nicht.

Wann bist Du selbst zum Tofu gekommen?

Stefan Hauck: In den 90ern war ich für mein Studium in den USA und habe mich mit alternativen Ernährungsformen beschäftigt. Zurück in Deutschland wollte ich daran anknüpfen. Gleichzeitig bin ich damals durch asiatische Freunde auf Tofu gestoßen - und da hat es direkt Klick gemacht.

Mit diesen Test-Tofus prüft Stefan z. B., welche Paramter nötig sind, damit aus der Sojabohne ein leckeres Produkt wird.

Was war das, was Dich damals sofort angesprochen hat?

Stefan Hauck: Als ich gemerkt habe, was man damit alles machen kann! Tofu hat eine Schwäche und Stärke in einem: nämlich der geringe Eigengeschmack. Dadurch kann er jede Geschmacksrichtung annehmen: Von süß bis sauer ist alles möglich. Ich esse mehrere Male in der Woche Tofu und es wird nicht langweilig.

Was aber auch nicht abreißt, ist die Diskussion um Soja. Die einen sagen: Das ist gesund, vor allem gesünder als Fleisch. Andere sagen: Soja kann hormonähnliche Wirkungen haben, da muss man vorsichtig sein. Wie schätzt du das ein?

Stefan Hauck: Wichtig ist zunächst einmal: Es gibt viele Lebensmittel, die östrogen-ähnliche Stoffe enthalten, neben Soja zum Beispiel auch Roggen oder Sesam. Aber Phytoöstogene haben eine etwa 1000x schwächere Wirkung als Östrogene. Sie werden mit der Nahrung aufgenommen, sind kurz im Blutbild nachweisbar und werden dann wieder ausgeschieden. Eine messbare Wirkung kann sich nur aufbauen, wenn bestimmte Lebensmittel über Jahre und Jahrzehnte gegessen werden. Dabei treten sogenannte Moderierungseffekte auf, die sich im Körper positiv auswirken können, z.B. während der Menopause oder als Beitrag zur Senkung des Brust- oder Prostatakrebsrisikos. 

Also, plötzlich viel Tofu essen regelt nicht den Hormonhaushalt - bringt ihn aber auch nicht durcheinander?

Stefan Hauck: Genau. Je früher man anfängt, Tofu zu essen, desto eher kann es positive Effekte geben. Wenn jemand jenseits der 30 anfängt, Tofu zu essen, gibt es geringere positive Effekte. In Japan und Südkorea gibt es übrigens sehr viele tiefgehende Studien zur Wirkung von Soja. Und da kann man klar sagen: die positiven Effekte überwiegen, egal in welchem Alter man mit der Aufnahme beginnt.

Jetzt könnte man aber auch sagen: Menschen in Asien vertragen Soja durch jahrzentelange Anpassung vielleicht besser als Europäer, während Milch oft schlechter vertragen wird als hier.

Stefan Hauck: Bei der Milch ist es tatsächlich so, dass hellhäutige Menschen sie im Erwachsenenalter besser verstoffwechseln können - das hat wirklich mit Genen zu tun. Bei Soja gibt es keine eindeutig genetische Disposition. Aber es gibt Gewöhnungseffekte: Die Fähigkeit des Körpers Phytoöstrogene aufzuschlüsseln, hängt auch mit dem Darmmilieu zusammen. Es kann eine Weile dauern, bis sich die Darmmikroben auf Soja und andere Hülsenfrüchte eigestellt haben. In Asien ist allerdings die positive Darmbesiedlung dahingehend stärker ausgeprägt.

Die Frage "Ist das jetzt gesund oder nicht?" klingt immer so pauschal. Es kommt darauf an: auf die Menge, auf die Kombinationen. Und auf die Frage: Was hätte man denn sonst gegessen? 

Stefan Hauck: Genau! In der Ernährungswissenschaft spricht man von Substitutionseffekten: Wenn man bestimmte Dinge weglässt, die eher von Nachteil sind, erzeuge ich schon positive Effekte. Jemand der täglich Cola trinkt und sie durch Apfelschorle ersetzt, wird eine positive Wirkung erzielen. Liegt das an der Apfelschorle? Naja, vor allem daran, dass die Cola weggelassen wird. Wenn jemand Fleisch durch Tofu ersetzt, dann hat das ebenfalls einen positiven Effekt.

Wer beginnt, Tofu zu essen, macht sich vermutlich auch mehr Gedanken über die eigene Ernährung. Die Umstellung geht selten einher mit mehr Cola und Currywurst.

Stefan Hauck: Ja, mit Tofu geht in aller Regel ein Sinneswandel einher. Es gibt die jungen Menschen, die aus Überzeugung kein Fleisch essen - und es gibt die Älteren, die aus gesundheitlichen Gründen den Rat bekommen, ihre Ernährung umzustellen. Die dritte Gruppe, die sagt sich einfach: Hey, das ist ja lecker! Ich brat mir für den Feldsalat keinen Speck an, ich nehme Räuchertofu, das schmeckt mir besser oder mindestens ebenso gut! Wer das mal gegessen hat, der vermisst auch nichts. Im Gegenteil. Der fragt: Wozu sollte da Speck drauf?

Auf einem Tisch sind fünf Blöcke Tofu in verschiedenen Farben gestapelt.
Vielfältig einsetzbar: Tofu kann fast jeden Geschmack annehmen.

Das ist auch eine geschmackliche Prägung, je nach dem, was man gewohnt ist.

Stefan Hauck: Ich erlebe das immer wieder an meinen Kindern: Das sind drei Feinschmecker, die schonungslos sagen, ob etwas lecker ist oder nicht. Und sie würden eher Tofu als Speck wählen.

Wenn Eltern sich vegetarisch oder vegan ernähren, stellt sich oft die Frage: Wie mache ich das mit meinen Kindern? Dränge ich denen etwas auf, was langfristig vielleicht schadet?

Stefan Hauck: Die Frage ist immer: Welche Mengen? Und mit wieviel Abwechslung? Ist die Ernährung ausgewogen oder neigen wir zu Extremen? Ich empfehle eine Tofu-Mahlzeit zwei, drei Mal pro Woche. Und ansonsten viel Abwechslung - und die ist mit und ohne Fleisch möglich. Der einzige universelle Rat, den man geben kann, ist: So gut es geht variieren und sich nicht auf eine Lebensmittelgruppe fixieren.

Und schauen: Tut mir das gut oder nicht? Da hat schließlich jeder auch eine intuitive Wahrnehmung.

Stefan Hauck: Richtig. Das sehe ich einem Kind auch an. Mein Sohn mochte Pizza-Bratfilets auf Brot, alles möglichst schnell und bequem. Okay, geht auch mal. Der andere mochte am liebsten Nudelpfannen mit Räuchertofu. Und meine Tochter hat Tofu-Wiener geliebt. Bei allen hat man gesehen: Das schmeckt ihnen, sie wachsen und gedeihen.

Ich denke, es ist wichtig zu sehen: Tofu ist kein neuartiges Lebensmittel. Es ist jetzt durch die Klimakrise und die Tierwohldebatte mehr in der Öffentlichkeit. Aber in Asien stellt sich keiner die Fragen, die wir uns da stellen. Das ist wirklich eine Frage der kulturellen Prägung. Wir nehmen Tofu immer noch als neues Lebensmittel war. Aber Tofu ist kein functional food, sondern etwas, womit Menschen seit vielen Jahrhunderten ganz selbstverständliche Erfahrungen haben.

Die Kartoffel kam auch erst vor 250 Jahren nach Europa und bald war sie nicht mehr wegzudenken. Heute stellt sich keiner mehr die Fragen von damals. Sie ist integraler Bestandteil unserer Ernährung. Und so ist es auch mit Tofu.  

»Mit Tofu geht in aller Regel ein Sinneswandel einher. Es gibt die jungen Menschen, die aus Überzeugung kein Fleisch essen - und es gibt die Älteren, die aus gesundheitlichen Gründen den Rat bekommen, ihre Ernährung umzustellen. Die dritte Gruppe, die sagt sich einfach: Hey, das ist ja lecker!«
Stefan Hauck