Tofuproduktion

Vegan ist uns nicht Wurst

Über pflanzliche Lebensmittel und ihre Namen

  • 07. Mär 2022

„Einen Kaffee mit Hafer-DRINK, bitte!“ Das würde wohl den wenigsten im Lieblingscafé über die Lippen kommen. Stattdessen sagen wir eher „…mit Hafer-Milch!“ Zu groß ist die Ähnlichkeit der Produkte, zu sehr ist die Verwendung bereits in die Alltagssprache übergegangen. Das gefällt aber nicht jedem. Die Frage, ob vegane und vegetarische Produkte so heißen dürfen oder sollen wie ähnliche Produkte tierischen Ursprungs wird aktuell kontrovers diskutiert – gesellschaftlich und politisch. Und sie beschäftigt logischerweise viele Hersteller pflanzlicher Lebensmittel so wie uns.

Junger Mann in weißem Hemd steht in einem hellen Raum mit Tischen und Stühlen.
Valentin Jäger beschäftigt sich täglich mit den Anforderungen, die an vegane Produkte gestellt werden.

Valentin Jäger ist bei Taifun seit langem für das Qualitätsmanagement verantwortlich und bezweifelt in diesem Zusammenhang, dass sprachliche Verbote besonders produktiv sind: „Normierte Sprache, die von real verwendeter Sprache abweicht nützt am Ende niemandem. Der Kulturwandel wird dadurch nicht gebremst.“ Mit Kulturwandel ist in diesem Fall gemeint, dass immer mehr Menschen häufiger pflanzliche Lebensmittel wählen. Und generell kritischer sind, bei dem, was auf ihrem Teller landet.

Wächst die Qualität mit ihren Vorgaben?

Dass die klare Einordnung und Benennung von Lebensmitteln aber ein herausforderndes Unterfangen sein kann, weiß Valentin aus seiner beruflichen Praxis. Als Verantwortlicher für die Qualität unseres Tofus muss er sich praktisch und theoretisch immer wieder mit der Frage auseinandersetzen, welche Anforderungen an das Produkt gestellt werden und ob diese erfüllt werden. Und das sind für Lebensmittel in Deutschland und Europa ganz schön viele.

Da sind Gesetze, die eingehalten werden müssen. Anforderungen, die bestimmte Zertifikate an produzierende Unternehmen stellen. Und Erwartungen der Menschen, die unsere Produkte kaufen. Die Voraussetzung dafür ist, dass allen klar ist, was ein bestimmtes Produkt überhaupt ist. Klingt klar? Ist aber durchaus kompliziert.

»Normierte Sprache, die von real verwendeter Sprache abweicht, nützt am Ende niemandem. Der Kulturwandel wird dadurch nicht gebremst.«
Valentin Jäger, Leiter Qualitätsmanagement bei Taifun

Was genau heißt eigentlich vegan?

Nehmen wir beispielsweise den Begriff bzw. das Attribut ‚vegan‘. Was im ersten Moment klar scheint, ist bei genauerem Hinschauen plötzlich nicht mehr so eindeutig. Bezieht sich ‚vegan‘ nur auf Produktzutaten und die Herstellung oder muss man schon früher hinschauen?

Vegan wird normal – also braucht’s eine Norm

Der stetig wachsende vegane Markt mit neuen Sortimenten und verarbeiteten Zutaten drängte eine bessere Beschreibung gewissermaßen auf. So entstand Valentins Idee einer Norm, die Licht ins pflanzliche Dickicht bringt. Gemeinsam mit zwei Co-Autoren entstand so das Buch Definitionen, technische Kriterien und Kennzeichnung für vegetarische und vegane Lebensmittel, das die Situation für alle Beteiligten – Unternehmen, Gesetzgeber, Verbraucher und Prüfer – einfacher machen soll.

Das Buch erklärt die Hintergründe zu den Begriffen vegan und vegetarisch, analysiert deren Verwendung und legt verständliche Parameter für den Handel fest. Mit Iso 23662:21 liefert es die passende Norm und dazu Tipps für unterschiedliche Unternehmen, die bei der konkreten Umsetzung helfen.

Das Buch klärt wichtige Begriffe und liefert die Norm mit Tipps für Unternehmen gleich mit.

Transparenz und Verlässlichkeit für Verbraucher*innen

Auf den ersten Blick mag das recht technisch klingen. Die Norm selbst ist aber für Verbraucher*innen interessant, weil sie transparent und damit verlässlich macht, dass drin ist, was drauf steht. Und davon profitieren am Ende alle.

Aber was steht denn nun drauf, abgesehen von vegan? Das bringt uns nochmal zurück zur Ausgangsfrage: „Dürfen vegane Lebensmittel nun so heißen, wie ähnliche Produkte tierischen Ursprungs? Also: Wurst, Milch, etc.“ Die Antwort ist: Kommt darauf an, wen man fragt.

Was macht eine Wurst zur Wurst? Der Inhalt, die Form, der Geschmack?

Ein Buch voller Lebensmittel

Ein Gremium, das sich aktuell genau damit beschäftigt, ist die deutsche Lebensmittelbuchkommission. Lebensmittel-was? Richtig gehört, allerdings hat es mit einem Buch nicht viel zu tun. Es ist ein gesetzlich verankertes, unabhängiges Gremium, das bereits seit 1962 besteht. Expert*innen aus Wissenschaft, Lebensmittelüberwachung, -wirtschaft und Verbraucherschutz erarbeiten gemeinsam Leitsätze, die Auskunft über bestimmte Lebensmittel geben. Sie schauen sich zum Beispiel Nahrungsmittel an, die zur Kategorie Wurst gehören, wie sie beschaffen sind und was Kund*innen erwarten dürfen, wenn sie sie kaufen. Bei den Leitsätzen handelt es sich zwar nicht um Gesetze, aber doch um Leitplanken, die von Unternehmen und vom Gesetzgeber zur Kenntnis genommen werden.

Besonders relevant für Lebensmittelhersteller pflanzlicher Produkte ist der „Leitsatz für vegetarische und vegane Lebensmittel mit Ähnlichkeit zu Fleischprodukten“, der aktuell überarbeitet wird. Denn dieser Leitsatz beschäftigt sich mit der Frage, was ‚vegan‘ und ‚vegetarisch‘ sind und was nicht. Dieser ist für Taifun auch deshalb relevant, weil er indirekt auch Einfluss auf die Benennung unserer Produkte hat. Wir freuen uns sehr, dass Valentin hier die Perspektive eines Herstellers pflanzlicher Produkte einbringen konnte.