Sojakultur

Tausend Gärten und ein Ziel

Neue Wege des ökologischen Soja-Anbaus

  • 17. Dez 2021
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Pflanzenzüchtung ist langwierig? Oder spannend? Beides. Martin Miersch, der Leiter unseres Sojazentrums, erzählt, wie die Idee zu 1000 Gärten entstand und warum Sojaanbau in Deutschland so sinnvoll ist.

Wie ist die Idee zu 1000 Gärten entstanden?

Bei einem Feierabendbier. Dem Sojazüchter Volker Hahn und mir war auf einem sehr trockenen Standort in Franken eine Sojasorte aufgefallen, die schön und aufrecht dastand. Dieselbe Sorte hatten wir in unserem eigenen Zuchtprogramm bereits verworfen, da sie an unseren eher feuchten Standorten viel zu lang wurde.

Feldforschung gehört dazu: Hier bei der Begutachtung einer reifen Soja-Pflanze.

Ein und dieselbe Sorte kann also völlig unterschiedlich wachsen?

Ja, eine Sorte, die in Brandenburg gut wächst, muss noch lange nicht die richtige für Niederbayern sein. Als Züchter waren wir uns einig, dass wir immer zu wenige Standorte haben, um neue Sojakreuzungen „richtig“ zu testen. Eigentlich bräuchte man dutzende, wenn nicht sogar hunderte oder tausende Test-Standorte, um eine neue Kreuzung nicht zu früh zu verwerfen.

Womit die Privatgärten ins Spiel kommen…

Mir kam plötzlich in den Sinn, dass wir bei Taifun immer wieder Anfragen von Hobby-Gärtnern erhalten, die uns um eine Handvoll Saatgut bitten, weil sie die Sojabohne beim Wachsen beobachten möchten. Für uns waren das zugegebenermaßen oft lästige Anfragen, weil sie ja zunächst nichts mit unserer Züchtungsarbeit zu tun haben. Aber in diesem Moment hat es bei Volker und mir Klick gemacht: da draußen sind Tausende von Gärtnern, die wir fragen könnten, ob sie nicht die Sojapflanze kennenlernen und gleichzeitig helfen möchten, die Sojazüchtung in Deutschland voran zu bringen!

Ein Gärtner setzt das Saatgut - die Erkenntnisse helfen, mehr über das Verhalten verschiedener Soja-Sorten zu erfahren.

Mittlerweile haben schon tausende Gärtner mitgemacht, es gibt also eine riesige Menge an Rohdaten. Nach was wird in diesen Daten geschaut?

Eine wichtige Frage ist für uns immer: Welche Sojastämme werden rechtzeitig reif, bevor der Herbst kommt? An welchen Standorten klappt es mit welchen Kreuzungen? Außerdem schauen wir nach den Inhaltsstoffen: Welche Sojabohnen haben einen so hohen Proteingehalt, dass sie sich für die Tofu-Produktion eignen? Und dann natürlich auch nach der Anzahl der Hülsen und Bohnen, also die klassischen Ertragsparameter.

Aber Ertrag ist eine Sache, Geschmack eine andere.

Genau, das kommt dann im zweiten Schritt. Aus den Bohnen mit den höchsten Proteingehalten stellen wir im Taifun-Labor kleine Test-Tofus her und prüfen sie auf Verarbeitungseigenschaften und Geschmack. Denn man kann zwar aus jeder Sojabohne Tofu machen, doch wenn man guten Tofu haben will, braucht man die richtigen Sorten.

Unterschiedliche Soja-Sorten haben unterschiedliche Eigenschaften. Welche genau, will das Team des Sojazentrums noch genauer herausfinden.

Wie beim Apfelkuchen …

… der mit Boskoop auch besser schmeckt als mit vielen anderen Sorten. Bei Tofu ist es genauso: Irgendeine Sorte ergibt irgendeinen Tofu – im Zweifelsfall bröcklig und trocken. Aus der Sorte Tofina dagegen, lässt sich ein wunderbarer Tofu herstellen. Natürlich ist auch die Handwerkskunst bei der Herstellung wichtig, aber die Sorte schafft die Grundlage für den guten Geschmack.

Und wie steht es um den Anbau selbst? Bei 1000 Gärten werden diesmal noch Blühpflanzen zwischen die Soja-Reihen gesät.

Das beruht auf der Einsicht: Klar, der Ökoanbau von Soja in Deutschland ist im weltweiten Vergleich schon ziemlich gut - da wird kein Regenwald abgeholzt und kein Glyphosat versprüht. Aber wir müssen auch zugeben: Es ist nicht alles ideal. Die Sojapflanze bedeckt den Ackerboden erst Anfang Juli. Vorher liegt der Boden zwischen den Reihen zum Teil offen. Wenn es Sommergewitter mit viel Regen gibt, kann es auch im  ökologischen Sojaanbau zu Bodenerosion kommen. Daher die Idee: Man könnte Pflanzen dazwischen säen, die den Boden schützen, aber die Soja nicht stören.

Blühpflanzen bringen Farbe ins Feld, dienen Insekten als Nahrung & könnten auch den Böden zuträglich sein.

Das müssten nicht unbedingt Blühpflanzen sein, oder?

Nein, aber unter dem Eindruck der Biodiversitätsdebatte und des Insektensterbens ergibt das am meisten Sinn. Wir wollten eher zarte Blühpflanzen, wie etwa die Ackerringelblume, die nicht in Konkurrenz zur Soja treten, aber Nahrung für Insekten liefern und Schönheit in die Kulturlandschaft bringen.

Was ist Ihre Zukunftsvision für den Sojaanbau in Deutschland?

Für die ganze Landwirtschaft gilt: Wir müssen Fruchtfolgen vielfältiger gestalten. Dafür sind Leguminosen wichtig. Soja ist dabei die Königin der Körnerleguminosen - sie braucht keinen Stickstoffdünger, sondern produziert ihren Stickstoff selbst. Ökologisch besonders sinnvoll wird sie aber erst dann, wenn wir sie nicht an Tiere verfüttern, sondern direkt für die menschliche Ernährung nutzen.

Hier schließt sich der Kreis: Denn dafür braucht es Sorten, die an unser Klima angepasst sind und guten Tofu ergeben. Dann werden mehr Landwirte sagen: Ja, diese Sorten will ich auch!

Zur Anmeldung für die dritte Ausgabe des 1000 Gärten-Projektes geht es unter www.1000gaerten.de